„Gott ist nur gut …“ William Paul Young im Interview

William P. Young ist der Autor des Romans „Die Hütte“. Das Buch erschien 2007 zunächst im Selbstverlag. Mittlerweile wurde es in 40 Sprachen übersetzt, es verkaufte sich weltweit mehr als 23 Millionen Mal. Damit ist es eines der 75 erfolgreichsten Bücher aller Zeiten. 2017 kam die Verfilmung unter dem Titel „Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott“ in die deutschen Kinos. Oliver Klatt traf den Autor für ein Interview in Berlin.

14. November 2017: Ich habe einen Interviewtermin mit William Paul Young, in den Räumen einer Freikirche in Berlin. In der Baptistenkirche in Berlin-Schöneberg findet heute Abend eine Veranstaltung mit dem weltweit bekannten Autor statt, der Eintritt ist frei. Vor der Veranstaltung hat er Zeit für Pressetermine. Ich bin gespannt!

Sein Buch „Die Hütte“ las ich schon vor sechs Jahren. Damals fand ich es zwar interessant, konnte aber mit dem besonderen christlichen Zusammenhang des Buches nicht so viel anfangen. Ja, mich ärgerte sogar die Sichtweise, die der Roman transportiert, innerlich ein bisschen. In dem Buch geht es darum, wie ein Vater damit klar kommen kann, dass seine kleine Tochter bei einem Gewaltverbrechen ums Leben kommt – und wie er weiterhin in der Lage sein kann, an Gott zu glauben. Die zentrale Frage dabei ist dieselbe, die sich viele gläubige Menschen weltweit in den verschiedensten leidvollen Situationen stellen: Wie kann Gott so etwas zulassen, wenn es ihn gibt?

Unglaublicher Erfolg

Mackenzie, der Vater, ringt um seinen Glauben – und begegnet Gott, Jesus und dem Heiligen Geist, im Buch dargestellt als Afroamerikanerin (Gott), hebräischer Schreiner (Jesus) und asiatische Frau namens Sarayu, was „sanfter, überraschender Wind“ bedeutet (Heiliger Geist). Der Stil des Buches ist frisch und lebendig, und zugleich hat es eine tiefe, berührende Ernsthaftigkeit. Vor allem bietet es wirklich gute Antworten.

William Paul Young schrieb das Buch im Jahr 2005, direkt nach seinem damaligen finanziellen Ruin. Er hatte damals außerdem drei verschiedene Jobs gleichzeitig, um seine Familie über Wasser zu halten. Das Buch war ursprünglich nur als Weihnachtsgeschenk für seine Kinder gedacht. Der später einsetzende, unglaubliche Erfolg des Buches überrascht ihn bis heute. Bei Wikipedia ist sein heutiges Vermögen geschätzt mit 2,2 Milliarden US-Dollar angegeben (Quelle: Forbes).  

Nur gut, dass ich das noch nicht recherchiert hatte, als ich ihn an diesem Abend zum Interview traf – sonst wäre ich im Gespräch mit ihm sicherlich irgendwie befangen gewesen. Doch so hatten wir von Anfang an einen guten Draht zueinander. Und da ich nach dem Interview noch die Möglichkeit hatte, weitere Gespräche mit Menschen zu führen, die ihn auf seiner Reise begleiten, bin ich sicher, dass mit den Möglichkeiten, die dadurch zur Verfügung stehen, sehr viel Gutes für die Menschen getan wird. 

Lügen über Gott

Oliver Klatt: In Ihrem Buch „Lügen, die wir uns über Gott erzählen“ gehen Sie auf unterschiedliche Themen ein, die mit einem – aus Ihrer Sicht – falschen Verständnis von Gott zu tun haben. Ein zentraler Punkt dabei ist das Missverständnis, das in dem Satz „Gott ist gut, ich bin es nicht“ zum Ausdruck kommt. Sie nennen diesen Satz eine Lüge. Können Sie etwas dazu sagen?

William P. Young: Vor dem Hintergrund des evangelikalen, fundamentalistischen Christentums, mit dem ich groß geworden bin, war dies eine Art, in der Gott dargestellt wurde: „Gott ist gut. Aber ich bin es nicht.“ Man sagte mir, ich sei grundsätzlich nicht gut. Es hieß: Gott ist „Ich bin“. Aber der Mensch ist „Ich bin nicht“.

Damit war mein Verständnis von der Welt und von mir derart geprägt, dass ich dachte: „Ich bin nicht intelligent genug“, „Ich bin nicht gut genug“, „Ich bin nicht schlank genug“, „Ich bin nicht groß genug“, „Ich bin nicht …“ – man könnte hier hunderte von Sätzen aufzählen.

Dabei sollte man wissen: Ein „Ich bin nicht“ kann es nicht geben ohne ein vorheriges „Ich bin“. Es muss zuallererst ein „Ich bin“ geben, um sagen zu können „Ich bin nicht“. Auch in den Schriften ist es so zu finden – vor allem in den Aussagen von Jesus –, dass die tiefste Wahrheit über den Menschen ist, dass er gut ist, freundlich und wunderbar, schön und mitfühlend. Dies ist die Wahrheit über unser Wesen! 

Innere Zerbrochenheit, Süchte, sie belügen uns. Auch Religion tut dies. Meine Religion hat es getan. Und es dauerte lange, bis ich dies erkannte. Aber solange man die Wahrheit seines Seins nicht kennt, kann die Art und Weise des eigenen Seins ihr auch nicht entsprechen. Um eine Stelle aus den Schriften zu zitieren: „Was die Menschen in ihrem Herzen denken, so sind sie.“ Selbst wenn das, was man denkt, eine Lüge ist.    

Wenn man also beginnt zu glauben, im Inneren seines Herzens, „Ich bin nicht gut geschaffen“, wenn man ungeduldig ist, wenn man denkt „Ich bin verbittert“, „Ich bin wütend“, „Ich bin innerlich zerbrochen“, dann verschleiert dies die eigentliche Wahrheit.

Oliver Klatt: Dann geht es in die falsche Richtung …

William P. Young: In die absolut falsche Richtung, ja. Was ich versuche zu sagen, ist: Man kann nicht auf einem Grund bauen, der keinerlei Solidität aufweist.

Gottesglaube & Atheismus

Oliver Klatt: Ein Gedanke, den Sie in Ihrem Buch teilen, ist der folgende: Je weiter wir in unserer Beziehung zu Gott voranschreiten, umso mehr wird uns klar, dass Gott nicht so ist, wie wir anfangs dachten. Ich habe dies auch für mich erlebt, und ich kann sagen, dass ich diesen Aspekt insgesamt recht herausfordernd finde.

William P. Young: Für viele von uns ist es nicht Gott, mit dem wir ein Problem haben … es ist unsere Vorstellung von Gott, mit der wir ein Problem haben.

Dabei handelt es sich oft um das Bild von Gott, das von unseren Vätern, manchmal auch von unseren Müttern, von der Religion, mit der wir groß geworden sind, an uns weitergegeben wurde. Es ist wohl so, dass Gott mehr Respekt vor uns hat, als wir vor ihm.

Es scheint, dass Gott vielmehr so vorgeht, dass er sagt: „Ich werde in dir arbeiten, in deiner Dunkelheit, um dich zur Wahrheit zu führen.“ Anstatt einfach einen Chip in uns zu implementieren, um uns damit zu reparieren. Wir sind so unglaublich gut geschaffen, da helfen schnelle Reparaturen nichts.

Manchmal fragen mich Menschen: Was denken Sie über Atheisten? Dann sage ich: Ich bin glücklich, mit Jesus, mit meiner Religion. Die Atheisten sagen Nein zu jeglichen Vorstellungen diesbezüglich. Ich stimme ihnen zu. Gott begeht keinen Missbrauch.

Vor allem wenn ich in England bin, treffe ich auf Atheisten, Richard Dawkins ist Brite, und Christopher Hitchens auch. Und ich stimme überwiegend mit ihnen überein. Manchmal werde ich gefragt: Wie können Sie mit ihnen übereinstimmen? Ich sage dann: Ich glaube auch nicht an einen solchen Gott, vom dem sie meinen, dass er nicht existiert.

Oliver Klatt: Können Sie mehr dazu sagen, aus Ihrem Leben?

William P. Young: Ich hatte einen wütenden Vater. Also hatte ich einen wütenden Gott. Mein Vater war unnahbar, er blickte auf die Welt aus der unendlichen Ferne eines missbilligenden Herzens. Er war ein strenger Zuchtmeister. Und damit hatten wir einen Gott, der weit hinter Jesus stand, eine Art dunkles Wesen, dem ich irgendwie Opfer bringen sollte, damit er mich liebt … Aber Jesus kommt, um mich zu lieben und mich zu beschützen vor diesem Gott – wie verwirrend ist das denn?

Da endet man dann also schließlich mit zwei Göttern, die sehr unterschiedlicher Natur sind. Man möchte sich mit Jesus verbinden, während man gleichzeitig hofft, vor dem anderen Gott beschützt zu bleiben. Und: Wer weiß, welche Rolle dabei der Heilige Geist spielt …? Also, eine riesige Verwirrung.

Stattdessen besteht die Schönheit des Evangeliums einfach darin, über alle Zeitalter, dass Gott eins ist! Einheit, die aus drei Personen besteht, die sich von Angesicht zu Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen. Keine Hierarchie, sondern ein großer, gegenseitiger Tanz, ohne Verlust der Persönlichkeit. 

Heiliger Geist

Oliver Klatt: In Ihrem Buch „Die Hütte“, wie auch im Film, sind Gott, Jesus und der Heilige Geist ja tatsächlich als drei Personen dargestellt. Ich möchte Sie etwas zum Heiligen Geist fragen: Kann man vielleicht sagen, dass er tatsächlich eher eine Art von Energie ist?

William P. Young: Es heißt „Heiliger Geist“, also könnte man sagen: Geist …

Oliver Klatt: Für Praktizierende der Reiki-Methode ist die spirituelle Lebensenergie gewissermaßen der Eingang zum Spirituellen, zum Göttlichen … über die Lebensenergie …

William P. Young: Nun, ich meine, dass eine Persönlichkeit über Energie verfügt, oder? Und ich denke, dass der Heilige Geist eine eigene Persönlichkeit ist. Nicht bloß Energie. Keine unpersönliche Kraft. Weil man zu einer unpersönlichen Kraft nicht in einer Beziehung stehen kann.

Es geht hier um die Schönheit der Dreieinigkeit, anstatt um Dualität. Es hat lange gedauert, bis wir die Dualität hinter uns gelassen haben. Es geht um ein Verständnis von Freiheit, das Mehrdeutigkeit in binäre Systeme einführt. Es geht dann nicht mehr bloß darum, jene zu lieben, die mich lieben. Sondern auch darum, jene zu lieben, die von den anderen geliebt werden.

Und dann ist da ein richtiger Tanz. Nicht bloß Entweder-Oder. Nicht bloß Yin-Yang. Nicht bloß Licht-Dunkel. Wir reden hier von einem Tanz, einem Kreis, anstatt von einer linearen Linie. Plötzlich macht alles Sinn, innerhalb des menschlichen Erlebens. „Geschlecht“ erhält ein gewisses Spektrum, anstatt nur eine Polarität zu sein.

Nun zum Heiligen Geist … Jesus kommt, um das Wesen Gottes zu offenbaren. Jesus führt Gespräche mit dem Vater. Aber er führt auch den Heiligen Geist ein, als jemanden der trauert, als jemanden, der zufrieden ist. Und: Der Heilige Geist war da, vom Buch Genesis 1, Vers 2 an … als „Ruach“, Atem, Wind. In der hebräischen Sprache sind die dazugehörigen Pronomen weiblich. Das bedeutet nicht, dass der Heilige Geist der weibliche Teil Gottes ist. Sondern, dass alle Männlichkeit und alle Weiblichkeit ihren Ursprung in jeder der drei Personen hat, die die Einheit Gottes ausmachen.

Dabei kann man aber nun nicht von „drei Arten von Gott“ sprechen, oder von „drei unterschiedlichen Göttern“. Gott ist eins. Und Einheit. Das bedeutet, dass eine Beziehung in Liebe immer schon existiert hat. Aber ja: der Heilige Geist ist Energie, Lebenskraft, Kreativität – aber er ist persönlich.

Oliver Klatt: Spüren Sie das auch, in Ihrem Körper? Diese Energie?

Energie, Geist, Beziehung

William P. Young: Ja, natürlich … Ich spüre es, wenn ein Musikstück mich berührt. Oder wenn eines meiner Enkelkinder in meine Arme läuft und mich einfach liebt, weil ich da bin. Und inmitten von Leiden spüre ich es auch, inmitten von Verlust. Oder wenn ich eine Werbung sehe, die gut gemacht ist. Klar, da gibt es dann einen ökonomischen Hintergedanken. Aber manchmal gelingt es dabei auch etwas darzustellen, was wirklich mit dem Mensch-sein zu tun hat. Und das kann ich spüren. Ich kann es fühlen.

Manchmal gebe ich dazu das folgende Beispiel: Wir tragen alle eine Stimmgabel in uns, deren Funktionsweise jedoch durch unser Gehirn eingeschränkt wird. Im Westen haben wir gelernt, von unserem Gehirn ausgehend zu leben. Dabei wird die Beziehung zu Gott als eine Art Transaktion dargestellt. Doch hier geht es nicht um Transaktion, hier geht es um Beziehung, um Mysterium, um Wunder. Wir haben alle eine Stimmgabel in uns. Und wenn etwas wahr ist, gut und schön, richtig und gerecht, dann sehen wir es auch so, wir erfahren es so, oder?

Oft steht uns dabei natürlich unsere Erziehung im Wege, oder Indoktrination, oder Missbrauchserlebnisse, oder große Traurigkeit – das alles ist in unseren Köpfen, und es steht in Konflikt mit dem, was unsere Stimmgabel uns sagt. Im Westen haben wir gelernt, die Sprache des Herzens zu unterdrücken.

Der Autor James Doty hat ein großartiges Buch geschrieben, es heißt „Der Neurochirurg, der sein Herz vergessen hatte“. Er ist Neurowissenschaftler, und er ist Atheist. Und er ist ein sehr guter Freund von mir. Er erzählt seine Geschichte in absolut faszinierender Weise. Ich führte ein Interview mit ihm, in einem großen Buchladen in Portland, Oregon, Powell‘s Books, einem der größten unabhängigen weltlichen Buchläden in den USA.

Wir führten also dieses Gespräch, und bei der Fragerunde stellte jemand aus dem Publikum die folgende Frage an mich: „Paul, ich habe Ihre Bücher gelesen, und ich weiß, dass Sie einen von James Doty sehr unterschiedlichen Standpunkt haben. Warum sprechen Sie dann also nicht über jene Themen, in denen sie nicht mit ihm übereinstimmen?“ Ich antwortete: „Es würde wohl eine Woche dauern, über die Dinge zu reden, in denen wir übereinstimmen, bevor wir überhaupt dahin kommen würden … und, ehrlich gesagt, ich bin nicht hier, um über mich zu sprechen. Ich bin hier, weil ich liebe, was er getan hat. Und ich liebe sein Buch!“

Nun, das hat meine Beziehung zu ihm unterstrichen, weil ich ihn als Menschen geehrt habe. Er ist auf einer Reise, wie wir alle.  

Oliver Klatt: Es so zu sehen, ist wirklich das Wichtigste …

Neurowissenschaften

William P. Young: Hinterher sagte er zu mir: „Ich möchte eine der neuesten Entdeckungen aus den Neurowissenschaften mit Ihnen teilen: Wir haben herausgefunden, dass es mehr neurale Verbindungen gibt, die ihren Ursprung im physischen Herzen haben und von dort aus zum Gehirn führen als umgekehrt.“

Oliver Klatt: Wirklich?

William P. Young: Ja! Er sagt: „Deshalb können Menschen tatsächlich an einem gebrochenen Herzen sterben.“ Weil die Verluste dann so groß sind, dass es das Gehirn untauglich macht.

So gesehen machen all die traditionellen Schriften auf einmal Sinn. Alle Fragen des Lebens gehen vom Herzen aus! Und hier haben wir wieder diese Zielrichtung, die die Allmacht des Kopfes angreift. Dadurch kann unser Geist lernen, in der Wahrheit zu leben, die wir in unserem Herzen erfahren. 

Oliver Klatt: In der japanischen Sprache, mit der ich ein wenig vertraut bin, aufgrund der Ursprünge der Reiki-Methode in Japan, gibt es, soweit ich weiß, nur ein Wort für Herz-Geist …

William P. Young: Wow! Und wir trennen es in zwei Worte. Aber Ganzheit umfasst unsere ganze Person: Körper, Seele, Geist … Ganzheit ist, wenn unsere Art zu sein der Wahrheit unseres Seins entspricht. Also stellt sich die Frage: Was ist die Wahrheit unseres Seins? Sind wir nur ein Stück Dreck? Oder sind wir im Lichte Gottes erschaffen? Wenn das die Wahrheit unseres Seins ist, dann können wir anfangen, dem zuzustimmen. Und wir finden Ganzheit in der Art und Weise, wie wir sind.

Co-Kreation

Oliver Klatt: Sie sprechen in diesem Zusammenhang auch von Co-Kreation, was ich sehr interessant finde. Das ist für mich eine Wahrheit: Es scheint einen göttlichen Plan zu geben …

William P. Young: … und der ist nicht wie der Plan eines Ingenieurs, sondern eher wie der Plan eines Künstlers …

Oliver Klatt: … ja, und dann gibt es da ein Miteinander, von Mensch und Gott: Ich wirke zusammen mit dem göttlichen Plan, und zugleich treffe ich meine eigenen Entscheidungen. 

William P. Young: Schaut man sich die Einfachheit der Erschaffung eines Menschen an, dann wird deutlich: Nicht Gott alleine bringt Menschen in ihre Existenz. Immer ist ein Mensch beteiligt, üblicherweise sind es ein Mann und eine Frau. Diese beiden Menschen kommen zusammen, mit welcher Intention auch immer, und dann fügt Gott Leben hinzu … das ist Co-Kreation. Das wird jedes Buch überdauern, jeden Film, jeden Song – diese Person. Ist das nicht wunderschön?

Ich habe „Die Hütte“ nicht alleine geschrieben. Aber Gott hat sie auch nicht alleine geschrieben. Ich denke, dass manchmal Menschen der Kreation Gottes ihre Co-Kreation nicht hinzufügen möchten, weil sie sich schämen, weil sie vielleicht denken, dass sie nicht gut genug ist. Dann sagen sie so etwas wie: „Gott gab mir diesen Song!“ Und ich denke dann: ,Nun, Gott ist kein wirklich guter Autor oder Songwriter …‘ Diese Menschen haben vielleicht Schwierigkeiten, mit den Begrenzungen ihrer eigenen Reise umzugehen, mit ihrem inneren Prozess, ihrer Reife. 

Wenn ein Kind zu mir kommt und mir ein Bild gibt, das es gemalt hat, und ich muss dann herausfinden, wie herum ich es halten soll – weil ich nicht weiß, wo oben und wo unten ist –, dann ist das eines der schönsten, kostenlosen Geschenke, die mir je gegeben werden. Das Kind hat zusammen mit dem Geist Gottes co-kreiert, in seinem Wachstumsprozess, um mir ein Geschenk zu machen.

Ich denke, wir sind umgeben von Co-Kreation! Und wir sind involviert in unser eigenes Leben. Keiner erfährt Heilung, wenn er sich nicht daran beteiligt!

Gott ist Liebe

Oliver Klatt: Was war ihre wichtigste persönliche Einsicht über Gott? Mögen Sie diese mit uns teilen?

William P. Young: Ich denke, im Kern, dass Gott nur gut ist. Nur Liebe. Und daher kommt die Wut auf alles, was zerbrochen ist, die Wut auf alles, was jene verletzt, die er liebt.

In meinem Leben sehe ich, auch bei meinen Kindern und Enkeln: Solange ich nicht glaube, ist Vertrauen nicht möglich. Wenn Gott nicht nur gut wäre, dann wäre Vertrauen nicht möglich.

In meinem Buch „Die Hütte“ gibt es eine Szene, wo Papa* sagt: „Mackenzie, der fundamentale Mangel in deinem Leben ist, dass du nicht glaubst, dass ich gut bin. Und solange du nicht glaubst, dass ich gut bin, wirst du nie in der Lage sein, mir zu vertrauen.“ Die Antwort von Mackenzie ist: „Warum sollte ich dir jemals vertrauen? Meine Tochter ist tot. Und nichts, was du sagst, macht sie wieder lebendig.“

Es ist unser Kummer, unser Leid, unsere Traurigkeit … und, in einem hinteren, stillen Kämmerlein fügen wir irgendwie das Böse zu Gott hinzu. Das ist so, als würden wir nicht verstehen, welch‘ ein Wesen hoher Ordnung wir sind.

Beziehung

Man kann Nein zu Gott sagen. Nein sagen zu Beziehung. Nein sagen zu Freundlichkeit. Und Gott wird sich dem Nein beugen. Er wird dann gemeinsam mit uns in unser Nein hinabsteigen. Um mit uns zu sein. Und dann wird er uns in einer solchen Weise lieben, dass wir schließlich unser Nein gehen lassen … und vielleicht Ja sagen.

Das ist die Schönheit von Beziehung.

Oliver Klatt: Herzlichen Dank für das inspirierende Interview!

Zwei Stunden nach dem Interview beginnt die Abendveranstaltung, ich sitze im Publikum. William Paul Young liest Kapitel aus seinem neuen Buch „Lügen, die wir uns über Gott erzählen“, in englischer Sprache, eine Dolmetscherin übersetzt ins Deutsche. Es werden Fragen aus dem Publikum zugelassen, zu denen sich der Autor in authentischer Weise äußert, vor dem Hintergrund seines eigenen Verständnisses des christlichen Glaubens. Teilweise führt dies auch zu kleineren Diskussionen, bei denen am Ende nicht immer alle einig sind.

Als ich nach der Veranstaltung in meinem Auto sitze und nach Hause fahre, merke ich: Das Ganze war inspirierender, als ich zunächst erwartet hatte. Niemand hat mir je bislang so gut das Wesen der christlichen Dreieinigkeit verständlich machen können. Dabei richtet sich die Kritik vieler konservativer christlicher Theologen genau gegen diese offenbar sehr progressive Darstellung der Dreieinigkeit. Nun, mich hat sie erreicht und berührt.

Als ein weiterer Kritikpunkt seitens konservativer christlicher Kreise gilt, dass hier das Gefühl über- und der Verstand unterbewertet werde. Damit, so heißt es, werde eine „New-Age-Religiosität mit pantheistischen Vorstellungen“ vermittelt. Nun, mit diesen beiden Kritikpunkten sehen auch wir Reiki-Praktizierende uns oft konfrontiert. Was uns nicht daran hindert – bei allem nötigen Abstand zu rein pantheistischen Vorstellungen, der sicherlich sinnvoll ist –, genau diese beiden Punkte zugleich als hilfreich für den spirituellen Weg zu erleben. Weil der Pantheismus** die Dinge letztlich konkret macht und jeglicher Enthobenheit einen deutlichen Riegel vorschiebt. 

Zwei Wochen nach dem Interview sehe ich den Film „Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott“ auf DVD. Ich bin sehr berührt davon und kann ihn wirklich jedem empfehlen, der an Gott glaubt und einmal ausgiebig die Frage für sich ergründen will „Wie kann Gott etwas Leidvolles zulassen, wenn es ihn gibt?“. Der Film bietet jedenfalls gute Antworten darauf.

Die Verfilmung seines Romans empfindet William Paul Young als sehr gelungen. Er war in die Entstehung des Films involviert. Die Produzenten hatten ihn u.a. dazu eingeladen, zu Beginn der Dreharbeiten der gesamten Crew seinen Segen zu geben.

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Anmerkungen:

* „Papa“ ist im Buch sowie im Film „Die Hütte“ die Bezeichnung für Gott.

** Pantheismus: Vorstellung, dass Gott eins ist dem gesamten Kosmos und der Natur, dass er alles ist, was existiert, was lebt. Glaubt man, dass Gott zusätzlich mit einem Teil von sich auch außerhalb dieses Ganzen exisitiert, also auch darüber hinaus geht, dann nennt man das Panentheismus. Meiner Auffassung nach hat die Sichtweise William Paul Youngs, wenn überhaupt, dann eher panentheistische als pantheistische Züge. Panentheistische Vorstellungen sind u.a. auch bei christlichen Mystikern wie Meister Eckart und vor allem auch in den orthodoxen christlichen Kirchen zu finden. 

Das Interview fand in englischer Sprache statt, in persönlicher Begegnung.

Übersetzung ins Deutsche: Oliver Klatt.

Wir danken dem Ullstein Verlag für die Vermittlung des Interviews.

Porträtfoto WP Young Copyright: Torge Niemann

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