Was ist „Westliches Reiki“?

Seit einigen Jahren wird der Begriff „westliches Reiki“ von manchen Reiki-Praktizierenden verwendet. Was hat es eigentlich damit auf sich? Wofür steht dieser Begriff? Oliver Klatt wirft Licht auf Zusammenhänge rund um die Diskussion zu diesem Thema – und plädiert für eine genaue Wortwahl im Austausch miteinander.

In meiner Wahrnehmung wird der Begriff „westliches Reiki“ häufig von Praktizierenden und Lehrenden ursprünglich japanisch geprägter Reiki-Stile wie beispielsweise „Jikiden Reiki“ und „Gendai Reiki Ho“ verwendet, die in den vergangenen 20 Jahren aufkamen. Und ebenso von anderen Reiki-Praktizierenden und -Lehrern, die sich in ihrer Praxis und Lehre überwiegend an dem orientieren, was heute über die Art und Weise bekannt ist, in der Mikao Usui und Chujiro Hayashi zu ihrer Zeit die Reiki-Methode praktizierten und lehrten.

Bei genauerer Betrachtung scheint es so zu sein, dass der Begriff „westliches Reiki“ eigentlich meint: „durch die westliche Welt geprägte Arten, die Reiki-Methode zu praktizieren und zu lehren“.

So gibt es derzeit oft eine Unverschwommenheit im Gebrauch des Begriffs „westliches Reiki“. Denn natürlich – und das meinen jene, die den Begriff verwenden, wohl auch nicht anders – gibt es ja nur „eine universelle Lebensenergie“, also nur „ein Reiki“. Und nicht einerseits „westliche universelle Lebensenergie“ und andererseits „östliche universelle Lebensenergie“ oder gar „japanische universelle Lebensenergie“. Das würde keinen Sinn machen, denn die Zuordnung „universell“ verträgt sich nicht mit der gleichzeitigen Zuordnung zu einer bestimmten Region der Erde.(1)

Eine Lebensenergie

Die „eine universelle Lebensenergie“ liegt allen Arten und Weisen zugrunde, in denen die Usui-Methode des Reiki praktiziert und gelehrt wird. So kann man sagen: Unterschiede liegen nicht in der Art der angewandten Lebensenergie, sondern vielmehr in den verschieden geprägten Weisen, diese Lebensenergie mittels des Usui-Systems anzuwenden.

Warum zur Beschreibung verschiedener Arten, mit der Usui-Methode Lebensenergie zu nutzen, nun Erdteile bzw. Himmelsrichtungen herangezogen werden, ist mir nicht wirklich verständlich. Denn die Verwendung des Begriffs „westliches Reiki“ kann leicht so verstanden werden, als würde man damit zwei Lager auftun, die tatsächlich so in Reinform gar nicht existieren: hier die „westlichen“ Stile, da die „japanischen“ oder „östlichen“ Stile.

Alle heute in westlichen Ländern praktizierten Reiki-Stile, die Einflüssen von Menschen aus verschiedenen Erdteilen unterlagen und -liegen, stammen dennoch ursprünglich aus Japan. Damit tragen sie diesen Samen, dieses wichtige Anfangsmoment, weiterhin in sich.

Und ebenso unterliegt die Praxis und Lehre von Praktizierenden ursprünglich japanisch geprägter Arten der Reiki-Methode – mit vielleicht ganz wenigen Ausnahmen(2) – auch Einflüssen, die von Menschen stammen, die in anderen Regionen der Erde leben oder lebten; mal mehr, mal weniger.

Abgrenzung

Schaut man sich einmal an, wie der Begriff „westliches Reiki“ häufig verwendet wird, so wird deutlich, dass er oft von Praktizierenden ursprünglich japanisch geprägter Reiki-Stile genutzt wird, um ihren Stil abzugrenzen gegenüber jenen Stilen, die im weiteren Verlauf ihrer Ausbreitung eine Entwicklung auch in anderen Ländern und Regionen der Erde genommen haben.

Etwas abzugrenzen, um es genauer zu definieren – daran ist nichts auszusetzen. Es ist jedoch generell von Vorteil, wenn dies mit eindeutigen Begriffen geschieht, und nicht mit verschwommenen Formulierungen oder Andeutungen. Letzteres könnte als wenig anerkennend von jenen wahrgenommen werden, gegen die sich abgegrenzt wird.

Ganz grundsätzlich stellt sich für mich die Frage, warum hier von „westlich“ gesprochen wird – da beispielsweise die von Hawayo Takata geprägte Art, Reiki zu praktizieren und zu lehren, sehr lange fast ausschließlich auf den hawaiianischen Inseln stattfand. Diese gehörten zwar damals schon zu den USA, aber zeichneten – und zeichnen sich bis heute – vor allem dadurch aus, dass sie ein Schmelztiegel verschiedenster Kulturen sind, wo sich westliche und östliche Einflüsse gleichermaßen mischen. Zudem hatte Hawayo Takata japanische Eltern – und war damit selbst japanischstämmig. Und wie wir heute wissen, reiste sie Zeit ihres Lebens immer wieder nach Japan und verbrachte dort insgesamt recht viel Zeit.

Auch die weitere Entwicklung der Reiki-Methode nach Takatas Tod, wie von Phyllis Furumoto, Paul Mitchell und anderen Meistern seit den 1980er Jahren gelehrt und gelebt, geschah nicht ausschließlich in „westlicher Manier“, sondern unterlag stets unterschiedlichen Einflüssen aus den verschiedensten Regionen der Erde. Das heißt es gab – und gibt –, neben Einflüssen aus den USA, Kanada und Westeuropa, dabei ebenso Einflüsse aus südamerikanischen Ländern, aus osteuropäischen Ländern, aus Russland, aus asiatischen Ländern, aus der Karibik, aus Afrika und der arabischen Welt und aus Australien – und selbst aus Japan.

Insbesondere Phyllis Furumoto und Paul Mitchell, aber auch andere von Takata ausgebildete Meister wie Wanja Twan und Mary McFadyen, haben seit den frühen 1980er Jahren weite Teile ihres Lebens damit verbracht, um die Welt zu reisen und haben dabei mit Reiki-Gruppen in den verschiedensten Ländern und Kontinenten gearbeitet und die unterschiedlichsten regionalen Einflüsse aufgenommen, die auch in ihre Praxis und Lehre der Reiki-Methode einflossen.

Hinzu kommt, dass die zwei großen Reiki-Meister-Vereinigungen, die in den ersten Jahrzehnten der Verbreitung der Reiki-Methode sehr prägend waren (The Reiki Alliance und The Reiki Network) beide in hohem Maße internationale Vereinigungen waren – und es bis heute sind –, mit Mitgliedern aus mehr als 20 Ländern der verschiedensten Regionen der Erde, und nicht bloß aus „westlichen“ Ländern.

Welt-Praxis

Was Hawayo Takata mit ihrem Wirken möglich gemacht hat, ist die weltweite Verbreitung der Reiki-Methode – dies u.a. durch das Ausblenden sehr japanisch geprägter Einflüsse (wie z.B. der Gedichte des Meiji-Kaisers), die einer weltweiten Verbreitung der Methode sicher im Wege gestanden hätten, wegen ihrer sehr spezifischen, regional-kulturellen Ausrichtung. Damit hat Takata aus Sicht vieler Reiki-Praktizierender tatsächlich eine „Welt-Praxis“ des Usui-Systems des Reiki geschaffen – und keine „westliche Art, Reiki zu praktizieren“. (Es ist im Übrigen auch nicht richtig, dass in der Lehre Takatas das Spirituelle grundsätzlich hintenanstand – auch wenn dies manchmal behauptet wird.)

Spätestens mit der weltweiten Verbreitung der Reiki-Methode in der durch Phyllis Furumoto, Paul Mitchell und andere – auf Basis von Takatas Lehren – geprägten Weise entstand schießlich eine Art international geprägte Rumpf-Form der Usui-Methode, die eben nicht ausschließlich westlichen Einflüssen unterlag bzw. unterliegt – sondern mittlerweile durch Einflüsse aus mehr oder weniger allen Erdteilen geprägt ist. Diese Entwicklung setzt sich bis heute fort, wobei diese Form der Usui-Methode meist nach wie vor zumindest die Basis für das bildet, was die Mehrzahl aller weltweit Reiki-Praktizierenden als Usui-Methode des Reiki erlernt.

Mein Vorschlag ist deshalb, in der fachlichen Diskussion zu diesem Thema grundsätzlich eine genaue Wortwahl zu treffen und eindeutige Begriffe zu verwenden (was aus meiner Sicht der Respekt gegenüber Praktizierenden und Lehrenden aller Stile gebietet). Dies um zu vermeiden, bestimmte Reiki-Stile einfach „über einen Kamm zu scheren“, durch Verwendung eines verschwommenen Begriffs.

Unterschiede

Vor allem auch durch die Nicht-Unterscheidung von Reiki, der Energie, und Reiki, der Methode, hat der Begriff „westliches Reiki“ tatsächlich etwas Diffuses in seiner Ausstrahlung. Es würde sicherlich der fachlichen Diskussion dienen, wenn jene, die ihn verwenden, definieren, was genau sie damit meinen. Wenn dies nicht geschieht, mag sich die Verwendung dieses Begriffs für manche so anfühlen, als schwinge dabei – bewusst oder unbewusst –  manchmal auch eine Andeutung mit, die in etwa die Folgende sein könnte: „Das ,westliche Reiki‘ ist – anders als das ,japanische Reiki‘ – weiter weg von dem, was Mikao Usui gelehrt hat; und deshalb hat es weniger Essenz, ist weniger kraftvoll und/oder weniger spirituell.“

Diese Andeutung, sofern sie im Einzelnen besteht, hat dann oft damit zu tun, dass der Betreffende eine Form der Reiki-Methode gelernt hat, die man vielleicht als etwas „verzerrt“ oder in Einzelfällen gar als „verstümmelt“ bezeichnen könnte. Was heißen soll: Teils durch Unachtsamkeit, teils durch bewusst vorgenommene Änderungen seitens mancher einweihender Reiki-Lehrer hat – in der Wahrnehmung mancher – das, was sie als die Reiki-Methode bei diesen Lehrern erlernt haben, vielleicht weniger Essenz, scheint weniger kraftvoll oder weniger spirituell zu sein als eine später zusätzlich erlernte, ursprünglich japanisch geprägte Art der Reiki-Methode.

Das kommt vor. Jedoch betrifft dies – regional gesehen – nicht bloß den Westen, sondern auch Südamerika, Osteuropa, Russland, Asien, Afrika, die arabische Welt und Australien – und wahrscheinlich selbst Japan. Und so gesehen hat dies vielmehr mit den Einzelpersonen zu tun, die dabei als Agierende auftreten, d.h. mit den so handelnden, einweihenden Reiki-Lehrern – und nicht so sehr mit „dem Westen“.

Vielleicht ist es tatsächlich so, dass viele der so handelnden Reiki-Lehrer vor allem durch die westliche Kultur geprägt sind. Genauso gibt es aber auch einweihende Lehrer – im Westen sowie weltweit –, die die Reiki-Methode auf Basis von Takatas Lehren weitergeben, ohne dass jene, die sie bei ihnen erlernen, in irgendeiner Weise das Gefühl haben, dass es dieser an Essenz, Kraft oder Spiritualität fehlt.

Es gibt also in der westlichen Welt die unterschiedlichsten Arten, Reiki zu lehren – und diese lassen sich nicht einfach über einen Kamm scheren. So gesehen scheint mir der Begriff „westliches Reiki“ letztlich wenig hilfreich in der fachlichen Diskussion untereinander. Und dies selbst, wenn man ihn ändern würde in eine Formulierung wie „westlich geprägte Arten, Reiki zu lehren“. Weil diese „westlich geprägten Arten“ eben letztlich oft sogar mehr unterscheidet als verbindet.

Offenheit

Ich möchte im Reiki Magazin die Möglichkeit für einen Austausch zu diesem Thema bieten. Insbesondere möchte ich auch jene, die in ihrem Sprachgebrauch den Begriff „westliches Reiki“ verwenden, dazu einladen darzustellen, wie sie diesen Begriff verstehen. Schreibt bzw. schreiben Sie dazu bitte an:

redaktion@reiki-magazin.de

oder postalisch an den

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Deutschland

Die Redaktion des Reiki Magazins freut sich auf Beiträge zu diesem Thema!

>> Hinweis: Dieser Artikel ist in englischer Sprache hier zu lesen >>

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Anmerkungen:

(1) Dieser Grundgedanke stimmt im Kern auch für andere Übersetzungen des japanischen Schriftzeichens „Rei“ ins Deutsche, wie z.B. „spirituell“ oder „göttlich“ oder „in der Atmosphäre vorhanden“.

(2) Die einzige Ausnahme sind wohl japanische Reiki-Praktizierende, die a) nie etwas anderes praktiziert und gelehrt haben als ausschließlich das, was die Usui Reiki Ryoho Gakkai lehrt (eine Gesellschaft, die (wohl) von (oder für) Mikao Usui gegründet wurde), die b) innerhalb Japans nie mit Reiki-Lehren zu tun hatten, die nicht-japanischen Einflüssen unterlagen, und die c) Japan niemals verlassen haben.

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